Räume der Anschauung
Willkommen auf der Seite der Emmy Noether Gruppe „Räume der Anschauung – Topographien des Wissens. Anatomische Theater der Frühen Neuzeit zwischen Kunst Natur und Wissenschaft“. Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Christine Beese wird von 2023 bis 2029 von der DFG gefördert und ist am Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt. Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes steht die Rolle Anatomischer Theater als gebauter und gestalteter Räume bei der Ausbildung einer wissenschaftlichen Sphäre in der Frühen Neuzeit.
Projektbeschreibung
Das Projekt untersucht die Rolle Anatomischer Theater als gebauter Räume bei der Ausformung einer wissenschaftlichen Sphäre sowie bei der Durchsetzung epistemologischer Paradigmenwechsel in der Frühen Neuzeit.
Als Grenzgänger zwischen Kunst, Technik und Wissenschaft, zwischen sinnlichem Erfahrungs- und rationalem Untersuchungsraum sind Anatomische Theater prädestiniert, Aushandlungs- und Ausformungsprozesse von Wissenschaftlichkeit aufzuzeigen; als sich transnational etablierende Baugattung eignen sie sich in bevorzugter Weise, den Anteil von Architektur an einer Sichtbarmachung und Durchsetzung von „Wissenschaft“ als erfahrbarer Entität mit spezifischen Form- und Handlungs- und Deutungsmustern zu analysieren.
Im Rahmen einer transkulturellen Verflechtungsgeschichte nimmt die Emmy Noether Forschungsgruppe rund zwanzig bekannte und weniger bekannte Anatomische Theater in Europa und Südamerika in den Blick. Dem Narrativ von „zentralen“ und „peripheren“ Orten der Wissenschaft wird eine Erzählung zur Seite gestellt, die das lokale Wirkpotential der Bauten hervorhebt und ihre materielle Präsenz als maßgeblichen Faktor bei der Formung und Durchsetzung spezifischer Menschen- und Gesellschaftsbilder sowie eines europäischen Wissenschaftskonzeptes als universalem Welterklärungs- und Ordnungsmodell versteht.
GEPRIS-Eintrag: DFG – GEPRIS – Räume der Anschauung – Topographien des Wissens. Anatomische Theater der Frühen Neuzeit zwischen Kunst, Natur und Wissenschaft
Project Summary
The project examines the role of anatomical theatres as built spaces in the formation of science as an independent realm and in the implementation of epistemological shifts in the early modern period.
As spaces that crossed the borders between art, technology and science, and between sensual experience and rational examination, anatomical theatres are designed to reflect the negotiation and formation of scientific beliefs. As a building type that was established across various nations, they are particularly suitable for analyzing the role of architecture in the visualization and implementation of science as a tangible entity with specific patterns of form, action and interpretation.
With the aim of creating a transnational and entangled history that questions narratives based on „central“ and „peripheral“ places in science, the project focuses on around twenty well-known and lesser-known anatomical theatres in Europe and Latin America. It emphasizes the local impact of the buildings and examines their material presence as a decisive factor in the formation and implementation of specific images of humanity and society, as well as in a European concept of science as a universal model for explaining and ordering the world.
Team
Projektleitung:
Jun.-Prof. Dr. Christine Beese
Sekretariat: Svenja Schürmann M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen:
Nicole Falconi M.A.
Nicole Falconi hat Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Kunstgeschichte an der Universität Konstanz studiert. Als gebürtige Peruanerin interessiert sie sich für die interdisziplinäre Forschung der Frühen Neuzeit im globalen Kontext, insbesondere für die Schnittstellen zwischen Wissenschaftsgeschichte, Kunst- und Kulturwissenschaften mit Fokus auf die Kolonialgeschichte Lateinamerikas. In ihrer Masterarbeit analysierte sie daher aus kunst-, architektur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive Alexander von Humboldts Ansichten und Darstellungen der Baukunst lateinamerikanischer Urvölker. In der Emmy-Noether Forschungsgruppe beschäftigt sich Nicole Falconi mit der Erforschung und Untersuchung anatomischer Theater im Iberischen und Ibero-Amerikanischen Raum. Besonders eurozentrische sowie koloniale Einflüsse auf die Funktionalität und Ästhetik dieser wissenschaftlichen Räume sollen im Zuge der Recherchen und Forschungsreisen analysiert werden.
Marie Krüger M.A.
Marie Krüger studierte von 2014 bis 2024 Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Seit dem Bachelor legt sie in ihrer Forschung einen besonderen Fokus auf die Künste der Frühen Neuzeit in den Niederlanden und Belgien. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie die Darstellung von Frauen bei der Arbeit im Haushalt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der vergangenen und heutigen Definition von Hausarbeit und dem Beruf der Hausfrau sowie ihre moralische und räumliche Abgrenzung vom öffentlichen Raum. Bereits während ihres Studiums befasste sie sich mit dem Leidener anatomischen Theater und der Frage wie die Themen Tod, Vergänglichkeit und Wissensvermittlung an diesem Ort zusammenspielen. Im Forschungsprojekt wird sich Marie Krüger mit der Darstellung des anatomischen Theaters als Wissens- und Wissenschaftsraum in der Druckgrafik beschäftigen.
Studentische Hilfskraft:
Anna Olejniczak
Teilprojekte
Eine übergreifende Studie (Beese) führt Beispiele aller geografischen, konfessionellen und politischen Bereiche zusammen und stellt dar, wie Anatomische Theater durch Architektur und Inszenierungsstrategien zum epistemologischen Dispositiv der Naturbeobachtung und somit zum strategischen Mittel der Formung und Implementierung wissenschaftlicher Paradigmen wurde.
Die beiden Dissertationsschriften legen dar, wie Anatomische Theater als Architekturen und epistemische Modelle in transnationalen Verflechtungen wirkten und „Wissenschaft“ als supranationales Deutungskonzept erfahrbar und durchsetzbar machten. Mit Rücksicht auf die historischen Zusammenhänge behandeln diese Schriften Austauschprozesse innerhalb geografisch und zum Teil auch konfessionell umrissener Räume: den Niederlanden und Nordeuropa einerseits (Krüger), der iberischen Halbinsel und Südamerika andererseits (Falconi).
Die separat als Corpus veröffentlichten „Steckbriefe“ sowie eine Bildersammlung im prometheus-Bild-Archiv bilden die Arbeitsgrundlage der Studien und dokumentieren die Grundlagenforschung des Projektes.
Vorträge und Tagungen
Beese, Anatomische Theater der frühen Neuzeit, Vortrag im Rahmen des Kolloquium Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschafts- und Technikforschung, Bergische Universität Wuppertal, 10.12.2024
Beese, Anatomische Theater der frühen Neuzeit, Vortrag auf Einladung der Kunsthistorischen Gesellschaft, Kunstgeschichtliches Institut der Universität Wien, 13.11.2024
Beese, Anatomische Theater als transkulturelle Aushandlungsorte von Wissenschaftlichkeit in der Frühen Neuzeit, Sektionsleitung mit Beiträgen von Malin Heyman (Stockholm/Schweden) und Claudio Galeno-Ibaceta (Antofagasta/Chile). WissensWelten, 15. Arbeitstagung der AG Frühe Neuzeit, Forschungszentrum Gotha, 19.09.2024
Beese, Techniken der Wissenserzeugung: Anatomische Theater als gebaute Räume vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Universität und Wissenschaftsgeschichte (GUW), Universität Göttingen, 07.09.2024
Beese, Teilnahme am Emmy-Noether-Jahrestreffen der DFG, Potsdam, 18.-20.07.2024
Beese, Vorstellung des Emmy Noether Forschungsprojektes im Cultural History Forum, KU Leuven, 17.04.2024
Beese, Vorstellung des Emmy Noether Forschungsprojektes auf dem 37. Deutschen Kongress für Kunstgeschichte innerhalb des Fachforums Kunstgeschichte Italiens, Universität Erlangen-Nürnberg, 13.03.2024
Beese, On Swedish Nature. Olof Rudbeck and the Anatomical Theater of Uppsala (1662), congress The Art and Space of Anatomy: Origins, History and Functions of Anatomical Theatres, Società Italiana di Anatomia, Archiginnasio Bologna, 16.-17.11.2023
Beese, Between Allegory and Instrument: The 17th Century London Anatomy Theatres of Inigo Jones and Robert Hooke as Sites of Visualization, congress Vedere l’anatomia tra letteratura e arti: parole, immagini e spazi dalla prima età moderna, Mendrisio, Accademia di architettura / Lugano, Università della Svizzera italiana, 15.-16.05.2023
Zum Thema gemacht. Aushandlung von Wissenschaftlichkeit in den Bildenden Künsten der Frühen Neuzeit. Conception and management of the workshop together with Dr. Sophie-Luise Mävers University of Cologna, online 04.-05.20.2021
Beese, Knowledge-making between Arts and Science. The Integration of Anatomical Theaters into Hospital Architecture in Modena, Frankfurt and Paris in the 18th Century, congress Space and the Hospital: International Network for the History of Hospitals Conference, Lisbon/online 26-28.5.2021
Beese, Science and the public sphere. The London Anatomical Theaters of Inigo Jones and Robert Hooke, section Theatres of Knowledge: On the Theatricalisation of Scientific Practices, Contribution to the annual conference of the Renaissance Society of America Dublin/online 21.04.2021
Beese, Der tote Körper und die Ordnung der Welt. Aufbau und Ausstattung des Anatomischen Theaters der Londoner Barber-Surgeon‘s Guild von 1638, workshop Zur Medialität des Todes, Bibliotheca Hertziana Rome, 23.-25.3.2021
Beese, Neue Erkenntniswege. Architektur und Ausstattung frühneuzeitlicher Anatomietheater in Italien, section Bild Raum-Wissenschaft, Forum Kunstgeschichte Italiens, Universität Erlangen Nürnberg, 23.2.2021
Beese, Remote seclusion or spatial isolation? Anatomy towers in Göttingen and Jena in the 18th century, internation symposium Practices of Privacy: Knowledge in the Making, Centre for Privacy Studies, Copenhagen, 22.-23.04.2020
Veröffentlichungen
Beese, Bauen für die Wissenschaft. Zum Entstehungsprozess des anatomischen Theaters in Göttingen zwischen 1733 und 1737, in: Abe, Florian und Beese, Christine (Hrsg.): Bauten – Bilder – Geschichten. Kunsthistorische Perspektiven auf Architektur: Festschrift für Christian Freigang, Heidelberg: arthistoricum.net-ART-Books, 2024, S. 219–236. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1469.c21744
Beese, Gloire et mémoire – die Architekturmünzen der Pariser Mediziner als Hoffnungsdinge, in: Hoffnung handeln – L’espérance en action. Ein Frühneuzeitblog – carnet de recherche en histoire moderne. 15/09/2023, https://hoffnungfnz.hypotheses.org/1933
Beese, Imaginationsraum oder Sehmaschine? Anatomische Theater als Gegenstand kunsthistorischer Forschung, in: kunsttexte.de, Nr. 1, 2023, www.kunsttexte.de. DOI: https://doi.org/10.48633/ksttx.2023.1.94346