Wien ist bekannt für seine reiche Medizingeschichte. Neben beeindruckenden Objekten, wie den Moulagen im „Narrenturm“ oder den anatomischen Präparaten und Modellen im Josephinum, zeugt auch die Architektur von der Wertschätzung medizinischer Kunst und Wissenschaft. Seitdem der von Isidore Canevale 1785 eingerichtete Festsaal der medizinisch-chirurgischen Josephs-Akademie 2019 aufwändig restauriert wurde, ist er wieder als anatomisches Theater zu erkennen. Die freigelegten Wandmalereien zeigen Portraits bekannter Mediziner und Chirurgen, wie sie der Direktor und Leibchirurg Joseph II., Alessandro Bambrilla, in seinen Texten beschrieb. Doch nicht nur die Militär-Chirurgen, auch die Ärzte der medizinischen Fakultät verfügten über ein anatomisches Theater. Das durch den Architekten Jean Nicolas Jardot in den 1750er Jahren für Maria Theresia errichtete Universitätsgebäude (heute ÖAW) beherbergte zunächst im Erdgeschoss, ab 1787 dann im 2. Obergeschoss, einen fest eingerichteten Raum zur Zergliederung. Während ihrer Forschungsreise konnte Christine Beese die betreffenden Architekturpläne in der Albertina studieren und auch die Räumlichkeiten der heutigen Österreichischen Akademie der Wissenschaften besuchen. Dank Petra Aigner stellte sich heraus, dass der Raum des zweiten anatomischen Theaters ursprünglich als Modellzimmer der Akademie der bildenden Künste gedient hatte. Von der künstlerischen zur medizinischen Anatomie – welch eine Koinzidenz!