Was bleibt von Imdahl?
Workshop in der „Situation Kunst“
15. Dezember 2022
Organisiert von Prof. Dr. Carolin Behrmann, Tim Kollande M.A., Prof. Dr. Stephanie Marchal, Dr. Eva Wruck.
Teilnehmer*innen: Prof. Dr. Claudia Blümle und Philipp K. Heimann M.A. (HU Berlin), Dr. Sarah Sandfort (Museum Quadrat), PD Dr. Andreas Zeising (TU Dortmund), Prof. Dr. Markus Heinzelmann (RUB), Dr. Sabine Kampmann, Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt), Prof. Dr. Gerd Blum, Kunstakademie Münster/Universität Wien, Prof. em. Dr. Richard Hoppe-Sailer (RUB)
Seit Gründung der Ruhr-Universität Bochum ist hier die Lehre mit dem reformerischen Anspruch verbunden, fachliche Inhalte nicht nur interdisziplinär zu denken, sondern auch über den universitären Kontext hinaus zu vermitteln. Dieser Anspruch wird in der besonderen Situation des Kunstgeschichtlichen Instituts manifest: die Kunstsammlungen der Ruhr-Universität auf dem Campus und Situation Kunst (für Max Imdahl) in Bochum-Weitmar sind der Öffentlichkeit ebenso zugänglich wie den Studierenden und Wissenschaftler*innen und stellen idealiter Orte der Begegnung und Auseinandersetzung mit den hier gezeigten Kunstwerken dar. Für die Kunstsammlungen war diese Öffnung sogar Voraussetzung der Schenkungen seitens des Stifters Albert Schulze Vellinghausen. In den Sammlungen sind es die Studierenden der Kunstgeschichte, die für die Führungen zuständig sind und so bereits während des Studiums die Vermittlung kunsthistorischen Wissens an ein fachfremdes oder nicht-universitäres Publikum erlernen.
Ausgehend von dieser für Bochum und die Ruhr-Universität besonderen Situation, soll in dem Workshop die Frage diskutiert werden, wie sich Kunstgeschichte als praxisbezogene Disziplin deutlicher noch in die Gesellschaft vermitteln lässt, mit dem Ziel, sich von einem elitären und unzugänglichen Image zu distanzieren. Dabei soll der post-industrielle Standort und kulturelle Diversität des Ruhrgebiets berücksichtigt werden, um unter anderem die sozial inkludierende sprachliche und transkulturelle Vermittlung jenseits eines etablierten Fachjargons in den Blick zu nehmen. Der erste Ordinarius für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Max Imdahl hat sich Anfang der 1980er Jahre schon einmal dieser Aufgabe gestellt. Seine Seminare im Bayerwerk Leverkusen in den Jahren 1979/80, die 1982 in Auszügen publiziert wurden, sollten Angestellten und Werksarbeitern einen Zugang zu Werken der gegenstandslosen Kunst vermitteln. Bis heute ist diese Veranstaltungsreihe legendär, da Imdahl im fragenden Gespräch über ausgewählte Werke, nicht nun das eigene Wissen über Kunst zur Diskussion stellte, sondern auch seine Mitdiskutanten an die Grenzen des Sagbaren und der eindeutigen Erklärung geführt hat, um bestimmte Erwartungshaltungen zu überdenken.
Nach 40 Jahren scheint es gerade heute an der Zeit, diese Vermittlungsansätze Imdahls wieder aufzugreifen und weiterzudenken. Wie werden Diskussionen über Kunst in Zeiten von Digitalisierung, „kognitivem“ Kapitalismus, der Arbeitsorganisation und Beschäftigungsverhältnis grundlegend transformiert hat, aber auch wachsender sozialer Ungleichheit hochentwickelter Gesellschaften geführt? Wie könnte mit Blick auf die soziale Differenzierung und kulturellem Wandel eine Auseinandersetzung mit museal gesammelter Kunst von der Kunstgeschichte aus angeregt werden? Auch mit Blick auf die Arbeit des Kunstgeschichtlichen Instituts der RUB in den Museen, Sammlungen und Hörsaal wollen wir herausfinden, wie Imdahls Methode auf die Gegenwart bezogen oder kritisch diskutiert werden kann, und wie sich in produktiver Reibung Praktiken des standortreflexiven Sprechens entwickeln lassen.
Der Workshop will das Gespräch über die kunstwissenschaftliche und kuratorische Vermittlungsleistung anregen. Mit einem historischen Blick auf Konzepte und Ausstellungen im Rahmen der „Volksbildung“, wird die gesellschaftliche Aufgabe nicht nur der sammelnden und ausstellenden Institutionen, sondern der Kunstgeschichte selbst analysiert, um Formen der „Diskussion“ aus der Perspektive derjenigen, die am weitesten vom Kunstbetrieb entfernt sind, zu thematisieren.