Die Kraft des Staunens. Der Neue Materialismus in der Gegenwartskunst / The Power of Wonder. New Materialisms in Contemporary Art

Museum unter Tage, Bochum-Weitmar, 4. Mai 2022 bis 9. Oktober 2022
Eröffnung: 4. Mai 2022, 19 Uhr im Obergeschosssaal des Kubusgebäudes von Situation Kunst

Mit der Ausstellung Die Kraft des Staunens / The Power of Wonder widmet sich das Museum unter Tage einer neuen Auffassung in der Bildenden Kunst und den Wissenschaften. Sie betrachtet Materialien nicht mehr als leblose, passive Dinge, sondern betont ihre aktive Gestaltungsmacht. Objekte führen eine vom Menschen unabhängige Existenz. Sie verfügen über individuelle Fähigkeiten, bilden Formen und treffen eigene Entscheidungen. Während der Mensch im jüngsten Erdzeitalter, dem Anthropozän, die Atmosphäre und damit das Klima, die Geologie und die Biologie folgenschwer beeinflusst hat, sind auf lange Sicht die Materialien die entscheidenden Akteure.

Die Kraft des Staunens ist in enger Zusammenarbeit mit den Künstler*innen Ilana Halperin, Agata Ingarden, David Jablonowski, Markus Karstieß, SUPERFLEX und der Holt/Smithson-Foundation, Santa Fe/USA, entstanden. Zahlreiche Werke wurden extra für diese Ausstellung entwickelt. Insgesamt 26 Skulpturen, Installationen, Aquarelle, Textilarbeiten, Digital- und 3D-Drucke sowie der aufwändig produzierte Film Western Rampart von SUPERFLEX belegen den großen Spielraum, über den das Material verfügt. Das Werk von Robert Smithson (1938 Passaic, New Jersey–1973 Texas), der sich in den Jahren 1968/69 immer wieder im Ruhrgebiet und dem Rheinland aufgehalten und hier gearbeitet hat, bildet den historischen Ausgangspunkt: Sein Verständnis für Geologie und Naturgeschichte als Partner von Kunst und Kultur hat die Kunstgeschichte verändert und die Künstler*innen dieser Ausstellung stark beeinflusst.

Die Werke in der Ausstellung sind in einer gemeinsamen Autorschaft der beteiligten Künstler*innen mit Materialien wie Gesteinen, Ton, Gewürzen oder Pilzen entstanden. „Die in solchen Prozessen gefundenen künstlerischen Lösungen können idealerweise ein innovatives Potential entwickeln, das über die Ko-Autorschaft hinaus auch Möglichkeiten der weiteren Ko-Existenz von Natur und Kultur aufzeigt“, schreibt Markus Heinzelmann in seinem Beitrag zum Katalog. „Ganz sicher ist dafür das Zurücktreten des Menschen aus der Mitte der weltlichen Realität notwendig.“

Ilana Halperin hat alte Terrakotten von der schottischen Isle of Bute geborgen, die von dem kalkhaltigen Quellwasser der Fontaines Pétrifiantes in der Auvergne mit einer festen weißen Kruste überzogen wurden. Die neuartigen Objekte wurden von den gestaltenden Kräften des Wassers und der Künstlerin gemeinsam erschaffen. Markus Karstieß nutzt die alte Technik des Lüsterbrandes für die Glasuren seiner Keramiken, bei dem die Entscheidung über das Ergebnis beim Material und nicht beim Künstler liegt. Agata Ingarden verwendet für ihre raumgreifenden Skulpturen unter anderem karamellisierten Zucker, der bei bestimmten Temperaturen beginnt, sich zu verflüssigen und den umgebenden Raum zu erobern. David Jablonowski hat aus einem Steinbruch in der Nähe von Bochum Jahrmillionen alten Sandstein ausgewählt und mit 3D-Drucken aus der Hochtechnologie verschnitten. Und das dänische Künstlerkollektiv SUPERFLEX zeigt einen 15-minütigen Film, in dem eine militärische Befestigungsanlage aus dem späten 19. Jahrhundert und ein menschengroßer Fliegenpilz darüber streiten, wer von Beiden den erwarteten letzten Krieg gewinnen wird. Nach einem Gang durch die Ausstellung weiß man: Es wird nicht das bröckelnde Relikt menschlicher Zivilisation sein, sondern der vitale Pilz.

Gleichzeitig rekonstruiert die Ausstellung das Werk von Robert Smithson, das dieser in den Jahren 1968/69 im Rheinland und im Ruhrgebiet geschaffen hat. Die dem Werk von Smithson eng verbundene Kunsthistorikerin Eva Schmidt hat für den Katalog einen detaillierten Forschungsbericht über dessen Arbeit mit Kompost, abgestorbenen Bäumen und Spiegeln in der Region verfasst. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die ikonische Arbeit Indoor Mirror Displacement (Tree from Langenfeld, Germany) aus dem Jahr 1969, die extrem selten, zuletzt 2015 auf der 56. Biennale di Venezia, realisiert worden ist.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (deutsch/englisch) im Verlag DCV mit einem Grußwort von Martin Paul, Essays von Maria Bremer, Annika Büttner mit Kathrin Rottmann, Markus Heinzelmann, Katharina Hoppe mit Anastassija Kostan, Eva Schmidt sowie mit Texten zu den Künstler*innen von Giulia D’Allotta mit Yesi Dong, Natalia Knickmeier, Tibor Krauß, Navaz Mirhosseini mit Maike Prause, Paula Thieme und Tatjana Wasikanon mit Jannik-Andre Zur.
ISBN 978-3-96912-082-8, 176 S., 34 Euro im Buchhandel, 29 Euro an der Museumskasse.

Die Ausstellung Die Kraft des Staunens / The Power of Wonder wurde von Studierenden des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Universität Bochum vorbereitet: Giulia D’Allotta, Yesi Dong, Peter Gaida, Natalia Knickmeier, Tibor Krauß, Navaz Mirhosseini, Laura-Sophie Parting, Michel Pietrass, Maike Prause, Paula Thieme, Tatjana Wasikanon und Jannik-Andre Zur.

Begleitprogramm

Öffentliche Führungen
15. Mai, 5. Juni, 3. Juli, 31. Juli, 21. August, 18. September 2022
Jeweils 16 Uhr

Kuratorenführungen
Prof. Dr. Markus Heinzelmann
8. Mai und 9. Oktober 2022
Jeweils 16 Uhr

Sparda-Tag
Sonntag, 12. Juni 2022, 12 bis 18 Uhr
Alle Besucherinnen und Besucher haben freien Eintritt in die Ausstellung im Museum unter Tage. Kostenlose Führungen und Workshops für Familien und Kinder werden jeweils stündlich und von 12–15 Uhr, 15–18 Uhr angeboten. Genauere Informationen entnehmen Sie der Homepage von Situation Kunst.

www.situation-kunst.de

Künstlergespräch
zwischen David Jablonowski, Dr. Maria Bremer und Prof. Dr. Markus Heinzelmann im Rahmen der Reihe WORK MATTERS: (Post-)industrielle Arbeit ausstellen, organisiert vom Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum
Freitag, 1. Juli 2022, 17 Uhr

Pilzwanderung
im Schlosspark Weitmar unter der Leitung des Arbeitskreises Pilzkunde Ruhr mit anschließender Begehung der Ausstellung
Sonntag, 10. Juli 2022, 10 Uhr

Abendvortrag
von Prof. Dr. Ann-Sophie Lehmann im Rahmen der Tagung Works in
Process. Dimensions of Becoming in the Arts, organisiert von der DFG-Forschungsgruppe
Dimensionen der techne in den Künsten (Erscheinungsweisen/Ordnungen/Narrative), davor eine Ausstellungsbegehung mit Dr. Maria Bremer um 17 Uhr (Veranstaltungssprache Englisch)
Donnerstag, 6. Oktober 2022, 18:30 Uhr

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag DCV (deutsch/englisch) mit einem Grußwort von Martin Paul, Essays von Maria Bremer, Annika Büttner mit Kathrin Rottmann, Markus Heinzelmann, Katharina Hoppe mit Anastassija Kostan, Eva Schmidt sowie mit Texten zu den Künstler*innen von Giulia D’Allotta mit Yesi Dong, Natalia Knickmeier, Tibor Krauß, Navaz Mirhosseini mit Maike Prause, Paula Thieme und Tatjana Wasikanon mit Jannik-Andre Zur.
ISBN 978-3-96912-082-8, 176 Seiten, 34 Euro im Buchhandel, 29 Euro an der Museumskasse

Die Ausstellung Die Kraft des Staunens wurde von Studierenden des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Universität Bochum vorbereitet:
Giulia D’Allotta, Yesi Dong, Peter Gaida, Natalia Knickmeier, Tibor Krauß, Navaz Mirhosseini, Laura-Sophie Parting, Michel Pietrass, Maike Prause, Paula Thieme, Tatjana Wasikanon und Jannik-Andre Zur.

Die Ausstellung wird ermöglicht von