Das interdisziplinäre Graduiertenkolleg (Sprecher: Prof. Dr. Friedrich Balke, Medienwissenschaft) widmet sich den textuellen, audiovisuellen und digitalen Formen des Dokumentarischen und ihren medien-, literatur- und kunstgeschichtlichen Bedingungen. Damit weist es über die bisher in den Einzeldisziplinen verorteten, gattungsspezifischen Fragestellungen hinaus und erforscht das Dokumentarische in seinen übergreifenden epistemischen, technisch-politischen, subjektformierenden sowie sozialitätsstiftenden Dimensionen. Der Leitthese zufolge wird das Dokumentarische anhand der Operationen beschreibbar, die innerhalb unterschiedlicher Institutionen und Praktiken auf je spezifische Weise bild-, text- und tonmediale Elemente arrangieren, um so die Lesbarkeit, den Aussagewert, die Distributionslogiken und Machtwirkungen des Dokumentierten zu steuern.
Kunsthistorisch ist hierzu ein maßgeblicher Beitrag zu leisten. Schließlich bildet die Kunst nicht einfach einen Gegenpol zum anästhetischen Dokumentarischen. Vielmehr wurde das Dokumentarische schon in seiner Genese in den 1920/30er Jahren als ambivalentes, in die Kunst eingewandertes Phänomen verankert. Umgekehrt hat es in den letzten beiden Dekaden eine der grundlegenden kritischen Revisionen von Kunst entscheidend geprägt. Dieser documentary turn ist noch unzureichend erforscht gerade im Hinblick auf die künstlerischen Aneignungen genuin interdisziplinärer dokumentarischer Modi.
In der ersten und zweiten Kohorte des Graduiertenkollegs entstehen vier kunsthistorische Dissertationen, die sich mit protodokumentarischen Landschaftszeichnungen um 1800, mit zeitgenössischen Bewegtbild-Installationen, frühen fotografischen Handbüchern sowie mit Performancekunst und Dokumentation befassen (siehe Dissertationsprojekte). Sie werden von Jun. Prof. Dr. Annette Urban betreut, die als Mit-Antragstellerin die Kunstgeschichte im Graduiertenkolleg vertritt. Sie arbeitet derzeit an der Weiterentwicklung der Forschungsagenda im Zuge des Fortsetzungsantrags für eine zweite Förderphase (2021-2025) mit.